Systemrelevant benachteiligt

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Es ist wichtig, dass wir, was wir uns in Krisenzeiten endlich eingestehen, danach nicht wieder verdrängen – zum Beispiel, welche Jobs wirklich systemrelevant sind und welche nicht. (David Graeber)

Systemrelevante Jobs

In Zeiten der Corona-Krise wird etwas offenkundig, was vorher schon immer eine Tatsache war, aber jetzt mehr denn je ins Bewusstsein der Menschen gerufen wird: Dass die Wertschöpfung, die unserer Gesellschaft einen nie dagewesenen Wohlstand sichert, zu großem Teil von ganz bestimmten Berufsgruppen geleistet wird. Mehr denn je zeigt sich, dass es nämlich die Jobs im Gesundheitswesen, im Einzelhandel, in der Produktion, in der Logistik, etc. sind, ohne die das öffentliche Leben zum Erliegen kommen würde und deswegen „systemrelevant“ genannt werden.

Dies steht im jedoch im krassen Gegensatz zur (fehlenden) Wertschätzung, die diese Berufsgruppen in “normalen” Zeiten genießen. Die sich nicht nur in einer sehr viel geringeren Entlohnung ausdrückt, sondern auch darin, dass diese Menschen kaum Möglichkeiten der Mitbestimmung haben und deren Bedürfnisse an ihren Arbeitsplätzen nur sehr selten berücksichtigt werden.

Die Corona-Krise scheint Anlass zur Hoffnung zu geben, dass sich dies ändert, auch wenn momentan der Eindruck entstehen könnte, dass lediglich versucht wird, dieses Versäumnis kurzfristig durch Sonder-Bonuszahlungen und wohlgemeinten Zuspruch zu kompensieren. Sehr viel entscheidender wird aber sein, wie die zukünftige Haltung der Unternehmen gegenüber diesen Mitarbeitern nach Corona aussehen wird und ob diese Erfahrungen wirklich einen Veränderungsprozess anstoßen.

Relevante Unterstützung

Aber schauen wir doch mal optimistisch in die Zukunft und fassen die Corona-Krise wirklich als Chance auf: Wie können Unternehmen zukünftig gewährleisten, dass die nun ganz offensichtliche Bedeutsamkeit der systemrelevanten Jobs sich auch in der echten Arbeit und in der Unterstützung dieser Menschen niederschlägt? Wie kann eine Brücke gebaut werden zwischen den privilegierten „Schreibtischtätern“ (wir müssen ja nicht gleich von „Bullshit-Jobs“ sprechen wie im Artikel oben) und den Mitarbeitern, die in den ganz besonders wichtigen und wertschöpfenden Bereichen der Unternehmen arbeiten?

Uns vom loop-Team ist natürlich bewusst, dass es hier um grundlegende gesellschaftliche Problemstellungen geht, bei denen wir uns nicht anmaßen würden, besonders schlaue Ratschläge zu geben. Da wir uns aber mit loop auf die Fahnen geschrieben haben, eine Lösung für Menschen mit Jobs ganz vorne an der Front zu entwickeln — zu denen die systemrelevanten Jobs eine Teilmenge bilden —, mag unsere Sichtweise vielleicht einen kleinen Denkanstoß geben:

Es ist evident, dass die Bedürfnisse dieser Mitarbeiter schlicht vernachlässigt werden, gerade wenn es darum geht, sie an ihren Arbeitsplätzen bestmöglich zu unterstützen. Viel zu oft werden sie nur als Empfänger von von-oben verordneten „Lern“angeboten gesehen, die für ihre echte Arbeit geringen bis gar keinen Mehrwert bieten. Teilweise aus Unwissenheit, weil die verantwortlichen Personen sich mit der Arbeit ihrer Kollegen kaum bis gar nicht auseinandergesetzt haben, teilweise weil sie schlicht nicht das Mandat der Geschäftsführung dafür bekommen (zu unwichtig, zu teuer, …).

Das Ergebnis ist immer dasselbe: Die fehlende Unterstützung und Wertschätzung führt nicht nur zu Frustration bei den Mitarbeitern, sondern auch zu geringerer Qualität, schlechterer Kundenzufriedenheit, einem Verlust von Arbeitsplatzwissen und — ja — auch zu einer geringeren Produktivität, etc.

In früheren Blogposts (hier und hier) haben wir bereits gezeigt, welche Maßnahmen Unternehmen treffen können, um diese Mitarbeiter besser zu unterstützen, um sie fit für die Zukunft zu machen. Zentral dabei ist immer, dass diese Menschen bei der Entwicklung von unterstützenden Maßnahmen direkt einbezogen, ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen und vor allem Kollaboration und Austausch unter den Mitarbeitern gefördert wird. Dies führt nicht nur zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch zu mehr Kompetenz und Qualität der Arbeit.

Gemeinsames Axt-Schärfen

Ganz besonders gerichtet an die Mitarbeiter in den Personalabteilungen, den Akademien und der Unternehmensführung heißt dies also: Fassen Sie Mitarbeiter in den systemrelevanten Jobs nicht als reine Ressourcen auf und suchen Sie Wege, diese Mitarbeiter bestmöglich darin zu unterstützen, auch nach Corona (wann immer das auch sein wird) ihren Job machen zu können.

Nutzen Sie daher jetzt die Zeit in der Krise und führen Sie mit Kollegen aus den obigen Bereichen Ihrer Unternehmen Gespräche, um mehr über ihren speziellen Arbeitskontexten zu erfahren, anstatt die Zeit ausschließlich nur für das Selbststudium zu nutzen und den x-ten MOOC zu absolvieren. Schärfen Sie die Axt Ihrer Kollegen und nicht nur die Ihre! Jetzt ist die beste Zeit dafür, denn sobald die Krise überwunden ist, werden vor allem jene Unternehmen aus der Krise gestärkt hervortreten, die am besten in der Lage sind, das alte und vor allem auch das neue Holz zu hacken. (Und es deutet sich an, dass es vor allem jene sein werden, die nicht in den industriellen Vorstellungen des „Command & Control“ verhaftet bleiben.)

Sorgen Sie für eine nachhaltige Veränderung in der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Wertschätzung. Denn gemeinsam hackt es sich leichter...

Pascal GuderianComment